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Auf einer Stufe mit so großen Namen wie Ferrari, Lamborghini oder Maserati, genauso berühmt, genauso alt oder älter: Was Giotto Bizzarrini unter eigenen Namen1965 begann, lebt bis heute weiter. Das, was da weiterlebt, hat zumeist eine lange Nase, einen großvolumigen V8 Motor dahinter und noch weiter hinten ein aerodynamisch kurzes Heck. Dass viele Sportwagen, die Giotto Bizzarrini entworfen hat, an den Ferrari 250 GTO erinnern, ist dabei kein Zufall – der derzeit teuerste Oldtimer der Welt stammt aus seiner Feder und der Zeit, als er einst in den Diensten von Enzo Ferrari stand.

  • Der Ingengere, so der liebevolle italienische Titel, den ihm seine Fans gegeben haben, war zeitlebens 4 Genies in einem: Aerodynamiker, Testfahrer, Konstrukteur und eben Ingenieur. Schon als junger Mann hatte Giotto Bizzarrini gleich nach dem Studium das große Glück seinen Traumberuf in einer Doppelrolle als Ingenieur und Testfahrer bei Alfa Romeo anzutreten. Ein Cousin informierte ihn 3 Jahre später, das war 1957, dass Enzo Ferrari einen Testfahrer suchte, der einen Hintergrund als Ingenieur haben sollte. Na wenn das mal kein Zufall war?

  • Bei Ferrari war er schon bald Chef des Fahrzeugversuchs für die Sport und GT Fahrzeuge. Und dort unterstand ihm die Entwicklung der 250er Ferrari inklusive des berühmten GTO, der seinen frühen Ruhm festigen sollte. Danach, als selbstständiger Unternehmer, entwarf Giotto für Ferruccio Lamborghini den 12 Zylinder, der lange den Ruf von Lamborghini mitbegründe hat. Ebenfalls in seiner Zeit nach Ferrari entstand der Iso Rivolta, den Bizzarrini für die Familie Rivolta und deren Firma Iso entwarf. Ein Viersitzer, der sofort die besten Kritiken bekam. Doch Giotto Bizzarrini hatte nicht genug – er wollte Rennen fahren. Der Iso Grifo A3/C (C für Competizione) entstand – ein verkürzter Rivolta, der Motor weit nach hinten verschoben, sehr flach, sehr tief, sehr schnell. Weil aerodynamisch günstig und dank des bullig anschiebenden Big Blocks kaum zu halten, fuhren die Bizzarinis auf Rennstrecken rund um den Globus ganz vorne mit, gewannen Rennen und fuhren Klassensiege ein.

  • So funktionierte das Motto „Win on Sunday, sell on Monday“ auch andersherum. Immer mehr Kunden fragten nach einer Straßenversion des Grifo, die Giotto Bizzarrini mit dem A3 Strada bediente. Dieses Auto bekam beinahe ekstatische Kritiken in der internationalen Motorpresse: „... the most beautiful car ever tested by Autosport.“ „There is a wonderful feeling of sheer power as one unleashes the Grifo!“ „I have driven many of good looking cars, but for sheer beauty of line, this ist he pick of the bunch.“ „To tell the truth we have never come across such disconcerting ease at such speeds ...“Bizzarrini ist hoch erfolgreich, seine Competizione und Strada Modelle gewinnen weiter Rennen und Herzen, aber das Verhältnis zur Familie Rivolta leidet. Schließlich trennte man sich und Giotto nannte seine Fahrzeuge nun Bizzarrini GT Strada 5300.

  • Und auch wenn sich Giotto Bizzarrini Ende der 60er Jahre aus der Firmenleitung zurückzog, entwarf und entwirft er bis heute viele Einzelstücke und Sondermodelle. Hier schließt sich der Kreis. Es hat wohl selten, vielleicht nie, einen Konstrukteur, Designer und Testfahrer gegeben, der so viele Eigenschaften in einer Person vereint. Das sah auch die Universität von Florenz so, die ihm am 23. Oktober 2012 die Ehrendoktorwürde für Industriedesign verlieh. Die Automobilwelt hat Giotto Bizzarrini großartige Sportwagen, geniale Rennfahrzeuge und traumhaft schöne Studien zu verdanken. Grazie mille, Dottore.


    Text: Matthias Wetzel,

    Fotos: Stefan Bogner, Bizzarrini Archiv

    Video: EyesOver - Andreas Kömmerling