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1977 brachte Porsche den 928auf den Markt. 1995 wurde die Produktion des Gran Turismo nach 61.291 Exemplaren eingestellt. Der letzte 928, den Porsche gebaut hat, auf einem Flug durch die Alpen. Gleichwohl: Dies ist kein Reisebericht!

  • Rein faktisch ist dieser Porsche 928 GTS noch gar kein Klassiker. Geschweige denn ein Oldtimer. Nicht einmal ein Youngtimer. Ausgeliefert am 26. September 1995. 17 Jahre sind seitdem vergangen. Doch dieser Wagen wird ein Klassiker. Und weil das einigen Menschen sehr bewusst ist, ziehen die Preise gerade an. Langsam. Aber sicher. Besonders für Exemplare wie diesen hier. Wenn er zu kaufen wäre. Ist er aber nicht. Niemals. Dieser 928 GTS trägt ein Porsche-Wappen in der B-Säule der Fahrertür. Eingraviert sind dort der 20. Juli 1995 und die Zahl 61.291 – das Produktionsdatum und die laufende Produktionsnummer. Beide Daten weisen den Porsche als letzten jemals gebauten 928 aus. Fahrgestellnummer: WPOZZZ92ZSS800459. Ausgeliefert, mit 62 Kilometern auf dem Tacho, an Dr. Wendelin Wiedeking. Laufleistung im Spätsommer 2012: knapp über 20.000 Kilometer – also nichts für solch ein Auto. Eigentümer: noch immer die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG. Dieser Wagen steht im Porsche-Museum.

  • leich allerdings nicht mehr.Das Rolltor der Museumswerkstatt öffnet sich. Es ist ein Spätsommertag und der Beginn einer Reise durch drei Jahrzehnte. Denn die Gene dieses 95er GTS reichen über den 928 S4 und GT der 80er und den 928 S der ganz späten 70er zurück bis in das Debütjahr des 928: 1977. Über all die Jahre hatte Porsche den Wagen permanent weiterentwickelt, das technische und optische Grundlayout des Achtzylinder-Sportwagens jedoch nie verändert. Der GTS kriecht hinaus in den morgendlichen Verkehr Stuttgarts. Porsche hat uns den Gran Turismo überlassen, um ihn noch einmal auf die große Tour zu schicken. Richtung Alpen. Über den Großglockner, runter nach Norditalien. Wir wollen die Zeit nutzen, um ein paar schöne Straßen einzusammeln und den Wagen dabei neu einzuordnen.1995 saß ich das letzte Mal in solch einem 928 GTS – ein Testwagen der Porsche AG. Kennzeichen S-PR 123. Damals habe ich für ein deutsches Automagazin eine 928-Abschiedsgeschichte produziert; 18 Jahre nach seinem Debüt hatte Porsche die Produktion des GTS eingestellt. Das Auto war prägend wie kaum ein anderes. Denn der 928 gehörte immer zu den stolzen Wagen. 1995 schon von der Zeit, dem BMW 850 und dem Mercedes-Benz SL R129 eingeholt, war klar, dass der 928 GTS eines Tages in die Hall of Fame der großen Reise-Sportwagen fahren würde – jetzt scheint es so weit zu sein. Wer einen der wenigen in Europa existierenden 928 GTS mit unter 100.000 Ki-lometern auf dem digitalen Tacho ergattern will, muss mindestens 25.000 Euro mitbringen. Je weiter der Kilometerstand fällt, desto höher steigt der Preis. 35.000 Euro für ein Auto mit um die 60.000 Kilometer werden heute schon fällig; damit macht der Käufer im Hinblick auf den Preis zwar kein Schnäppchen, im Hinblick auf das Auto aber schon. Denn es gibt sie praktisch gar nicht mehr mit dieser Laufleistung.

  • Die amtlichen Daten bestätigen, dass die ohnehin seltenen 928 noch seltener geworden sind: Das Kraftfahrtbundesamt weist in Deutschland für 2012 nur noch 223 zugelassene Porsche 928 aus – aller Baujahre, versteht sich. Wir verlassen Zuffenhausen Richtung Österreich. Also die klassische Route für einen Porsche. Mit Zwischenstopp in Zell am See beim Porsche Design Studio soll es nach Fusch gehen, um am nächsten Morgen mit dem 928 in die Wolkenwelt der Alpen einzutauchen. Der GTS gibt auch nach 17 Jahren 928-Abstinenz wenig Rätsel auf. Wer viel 911 oder neuere Porsche fährt, muss sich erst wieder an das Zündschloss auf der rechten Seite gewöhnen. Und die Motohaube ist immer noch verdammt lang; bis man die Sinne wieder komplett auf den 928 kalibriert hat, helfen beim Parken die hochgeklappten Scheinwerfer als Peilstäbe. Echte Peilstäbe hatte Porsche 1977 für den ersten 928 tatsächlich in Erwägung gezogen. Sie sollten beim Aufklap-pen der Scheinwerfer automatisch vorn in den Kotflügeln ausfahren, um den Wagen zur Breite hin besser einschätzen zu können. Selbst die Beleuchtung der Stäbe via Lichtleitfasern wurde thematisiert. Zum Glück überließen die Ingenieure aus Zuffenhausen es dann den Kollegen aus Untertürkheim, den ausfahrbaren Peilstab zu erfinden (1991 für die S-Klasse W140).Der 928 funktioniert auf jeden Fall auch ohne die Dinger. Intuitiv macht sich der Fahrer in wenigen Minuten mit dem Auto bekannt. Bis auf das Gefummel mit dem Bordrechner verhält es sich mit dem großen Porsche wie mit dem Fahrradfahren – nur deutlich dynamischer. 500 Newtonmeter schieben den 928 GTS bei 4.250 Umdrehungen nach vorn; der 5,4-Liter-V8 leitet das Drehmoment via Transaxle-Rohr an das im Fall des Wiedeking-Autos verbaute 4-Gang-Automatikgetriebe weiter. Alternativ gab es ein 5-Gang-Schaltgetriebe. Unabhängig von der Art des Getriebes, befindet es sich beim 928 – da Tran-saxle – an der angetriebenen Hinterachse. Das maximale Drehmoment ist weniger spektakulär als die kraftvolle Tatsache, dass zwischen 1.000 und 6.000 Umdrehungen konstant über 400 Newtonmeter anliegen – ziemlich nackte Zahlen, aber sie machten den 928 GTS in den 90ern zu einem der souveränsten Cruiser unter der Sonne.Obwohl der Wagen mit 1.640 Kilo für die damalige Zeit relativ schwer war, geht er natürlich auch heute noch saumäßig gut voran. Seine 350 PS (bei 5.700/min) drücken das Leistungsgewicht auf 4,7 kg/PS und schieben den automatisch geschalteten Porsche in knapp unter 6 Sekunden auf 100 von maximal 275 km/h. Auch hier spiegeln die Fahrleistungsklassiker nur die halbe Wahrheit wider. Denn bereits 4.000 Umdrehungen reichen, um 300 PS abzurufen. Der Wagen hängt somit in jeder Situation wie an der Schnur gezogen am Gas. Relativ brutal portioniert die 4-Gang-Automatik allerdings die abgerufene Leistung – eine Folge der 1994 eingeführten dynamischen Kickdown-Funktion, bei der durch starkes Gasgeben und einer damit verbun-denen Drosselklappenöffnung elektronisch der Befehl zum Zurückschalten ausgelöst wird – bei nur vier Gängen kann der Drehzahlsprung aber unan-genehm heftig ausfallen.Kurz vor Zell am See und damit im tempolimitierten Österreich sind die Kickdown-Einsätze überschaubar. Der 928 GTS biegt in die Flugplatzstraße 29 ein. Hier befindet sich das Studio von »Porsche Design«. Auch nach dem Tod von Ferdinand Alexander Porsche im April haben sie dort sein Büro so belassen, wie er es verlassen hat. Im Erdgeschoss in einem öffentlichen Bereich sind Klassiker des Produktdesigns aus vier Jahrzehnten ausgestellt. Die ältesten stammen aus den frühen 70ern. Damals, 1974, verlegte F. A. Porsche den Sitz seiner neuen Firma »Porsche Design« von Stuttgart nach Zell am See.

  • Wir tauchen damit auch ein in die Zeit, als der erste 928 entstand. 1971 war die Entwicklung in Weissach gestartet worden. Unter der Regie von Anatole Lapin, leider ebenfalls 2012 gestorben, entstand dabei ein Auto, das in seiner Klarheit in der Welt der 70er Jahre weltweit einzigartig war und es im Grund bis heute ist.Die Diskussion, dass der große Porsche den 911 ersetzen sollte, lenkte den Blick ab vom wegweisenden Design des 928. Am 10. März 1977 schrieb der Motorjournalist Gernot Röthig in der »Auto Zeitung« einen ersten Fahr-bericht über den soeben präsentierten 928. Dabei streif-te er auch das Design, das seiner Zeit weit voraus war: »... Denn der 928 ist kein Auto, das mit der bestechenden Schönheit italienischer Sportwagen aufwartet. Das runde, etwas pummelige Heck sowie die auch im eingeklappten Zustand offenliegenden Scheinwerfer lassen das Auge stolpern. Offensichtlich brauchen Auge und Geschmack einige Zeit, sich an diese Dinge zu gewöhnen«, so Röthig. »Und genau auf diese Langzeitwirkung«, schreibt er weiter, »hoffen die Porsche-Stylisten. Sie verweisen darauf, dass dieses Auto aller Voraussicht nach auch in zehn bis zwölf Jahren noch gebaut wird und deswegen frei von aktuellen modischen Akzenten sein muss.« Zwölf Jahre später – das war das Jahr 1989, in dem der 330 PS starke 928 GT debütierte. Das Design hatte damals schon zwei Auto-Zyklen (fünf bis sechs Jahre sind die Regel) überlebt und wirkte immer noch wie aus der Zukunft gebeamt. Der erste Porsche 928 muss im Kontext mit der Zeit vor 35 Jahren gesehen werden. 1977 waren die barocken Mercedes W123 die Taxis der Nation, ein Renault 4 noch Alltag, ein Golf GTI eine frische Ausnahme, der Ferrari 308 GTB ein Konkurrent; es war die Zeit der fiesesten Oberhemden und Kotelet-ten aller Zeiten und Hosen mit lebensgefährlichem Schlag; Rocky Balboa kämpfte; Fleetwood Mac brachte das Album »Rumours«, Alan Parsons Project »I Robot« und Meat Loaf »Bat out of Hell« heraus; und Helmut Schmidt war Bundeskanzler. Sprich: Es waren die 70er, in denen grandiose Musik aus der Blaupunkt-Anlage des 928 schallte, Formen aber keineswegs homogen, klar, glattflächig und aerodynamisch geschliffen waren. In dieser Zeit brachte Porsche mit dem 928 ein Auto, das alles Dagewesene alt aussehen ließ. 1977, ich war 15; wir hatten einen VW 1500, mein Vater fuhr; Autobahn; ich drehte mich, weshalb auch immer, vom Beifahrersitz nach hinten um; in dem Moment kam dieser unglaublich fla-che Wagen angeflogen. Ein silberner 928. Ein Auto aus einer anderen Zeit. Als er vorbei war, sahen wir dieses unendlich runde Heck, das am Horizont immer kleiner wurde. Design kann eine magische Wirkung haben. Der 928 war magisch. Porsche hatte zudem mehr als eine tolle Fassade auf die Räder gestellt – in jenen Tagen hat Porsche den Sportwagen wirlich neu erfunden. Gernot Röthig, ein besonnener Mann, der nicht zur Übertreibung neigt und den ich viele Jahre nach meiner ersten Begegnung mit dem 928 als Kollegen schätzen lernte, schrieb 1977: »Der 928 ist nicht nur irgendein neuer Wagen, sondern ein Stück Entwicklungsgeschichte des Automobils. Denn Porsche blieb seinem Ruf einer internationalen Denkfab-rik treu und konstruierte ein intelligentes Auto mit viel technischem Know-how.«Und so war es. Mit dem 928 debütierte nicht nur ein komplett neuer Leichtmetall-V8 mit anfänglich 240 PS, sondern eine neue Generation von Reise-Sportwagen.

  • Das Transaxle-Prinzip führte beim 928 zu einer ausgewogenen Gewichtsverteilung von 50:50; die Traktion an der angetriebenen Hinterachse und das Handling waren damit besser als bei vielen Wettbewerbern. Zur Zeitleiste der Transaxle-Entstehung merkt Porsche 1977 übrigens an: »Die gleiche Bauweise wurde für den Typ 924 übernommen, der zwar eher auf den Markt kam als der 928, dessen Entwicklung jedoch erst nach der Konzeption des 928 begann.« Die Hinterachse selbst – die Weissach-Hinterachse – setzte Maßstäbe. Porsche: »Sie verhindert, dass beim Gaswegnehmen die Hinterräder in Nachspur ge-drängt werden und das Fahrzeug dann in schnell gefahrenen Kurven über-steuert. Eine in genau definierten Grenzen bewegliche Steuerschwinge gleicht die Radstellung so aus, dass mit und ohne Schub der Spurwinkel immer konstant bleibt und ein Eindrehen verhindert wird.« 35 Jahre nach diesen Zei-len schraubt sich der GTS von Fusch aus die Großglockner-Hochalpenstrasse hoch. Auch 2012 fährt sich der 928 – solange die Straße trocken ist und der Fahrer nicht verdrängt, dass die serienmäßige, elektronisch geregelte und variable Quersperre (Porsche-Sperrdifferenzial / PDS) des großen Porsche kein ESP ersetzt – super neutral. Die ausgefahrenen Scheinwerfer weisen den Weg durch die Serpentinen des Alpenpasses. Die Tour morgens zu machen ist ein Traum. Wir sind um 7.00 Uhr in den Pass eingefahren, um alles an Licht und Atmosphäre mitzunehmen. Die letzten Kilometer und Kehren, auf denen die Busse ausgesperrt sind und es immer kühler wird, über altes Kopfsteinpflaster hinauf zur 2.571 Meter hoch gelegenen Edelweißhütte, mitten in den Wolken, in der frischesten Luft, die man sich vorstellen kann – das muss man im Leben gemacht haben. Hier oben endet die Straße und auch die Zeit: wer von diesem Punkt aus in die Alpen schaut, sieht, was Menschen auch vor zigtausend Jahren gesehen haben. Wir verlassen den Großglockner Richtung Gardasee mit einem kleinen Abstecher in die Dolomiten, Pässe und Panoramen einsammeln. Wie die Strecke rauf zu den »Drei Zinnen«, den »Tre Cime de Lavaredo«, oder über den »Passo Pordoi« – einfach nur fahren. Als dann die Berge hinter uns liegen, steigen die Temperaturen. Ich öffne das Schiebedach. Sommer strömt hinein. Der Porsche fliegt in gemächlichem Tempo die italienische Autobahn nach Riva del Garda hinunter. Ein Gran Turismo, ein Sport-wagen, der vor mehr als 40 Jahren erdacht wurde, und doch immer noch aussieht, als käme er aus der Zukunft. Es wird Zeit, sich einen zu sichern!