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Interessante Autos sind oft mit interessanten Menschen verbunden. Und sie werden noch spannender, wenn ihre ehemaligen Besitzer aus zwielichtigen Gründen „interessant“ waren. Das trifft definitiv auf diesen Porsche 935 von 1980 zu, der aktuell beim Classic Driver-Händler Movendi zum Verkauf steht. Das Fahrzeug oder besser gesagt dessen Karosserie – gedacht für den dann auf einem Rohrrahmen-Chassis aufgebauten JLP-3 von 1981 - gehörte einmal zum Inventar des berühmten Vater-und-Sohn-Teams JLP Racing. Ein Duo, das fahrerisches Talent mit einem Hang zu kriminellen Aktivitäten verband und das über einen langen Zeitraum und weltweit das Interesse der Polizeikräfte erweckte. Die verwickelte Geschichte nimmt 1939 ihren Anfang. Mit der Geburt von Hans-Johan Paul, der im Alter von 16 Jahren mit seinen Eltern aus den Niederlanden nach Indiana emigriert. Nach dem Studium promoviert er an der Harvard University im Fach Wirtschaftswissenschaften und ändert in den 1970er-Jahren seinen Namen in John Lee Paul. Als Fondmanager an der Wall Street bringt er es zu einem beträchtlichen Vermögen, das es ihm ermöglicht, 1968 bei Rennen des Sports Car Club of America anzutreten. Prompt gewinnt er die regionale Meisterschaft für den Nordosten und feierte auf einer Corvette 427 weitere Erfolge. 

  • Alles scheint zu laufen für Paul. Seine attraktive Frau Joyce schenkt ihm 1960 einen Sohn, der in bester patriarchalischer Tradition John Paul Junior heißt. Doch ist der Senior auch bekannt für seine Arroganz, seine zunehmend schlechte Laune und seine unkontrollierten Wutausbrüche, die mitunter in extremer Gewaltanwendung enden. Als Folge verlässt ihn seine Frau zusammen mit dem Sohn 1970, woraufhin Paul seinen Helm an den Nagel hängt, seinen gut dotierten Job kündigt, sein Anwesen verkauft und die nächsten Jahre auf einer Segelyacht lebt. 1977 gibt er dann überraschend sein Comeback bei Rennen der IMSA GT-Serie. Zusammen mit seinem Sohn, der als Mitglied der Boxencrew beginnt, gründet er in der Folge sein eigenes Team, JLP Racing. Nach einem Klassensieg in der GTO-Klasse bei den 12 Stunden von Sebring 1978 auf einem Porsche Carrera RSR steigt Paul auf einen 935 um und verbucht regelmäßig Platzierungen in den Spitzenrängen – darunter ebenfalls 1978 in Le Mans, wo er mit Dick Barbour und Brian Redman den Sieg in der IMSA-Kategorie holt. Von 1978 bis 1980 vergibt die FIA über die FIA World Challenge for Endurance Drivers einen Fahrertitel für den erfolgreichsten Sportwagenfahrer des Jahres. John Paul holt diesen inoffiziellen Titel zwei Mal, 1978 und 1980. 1979 gewinnt er mit seinem 935 auch die Kategorie 2 der Trans-Am-Serie. Doch markiert 1979 zugleich den Beginn der kriminellen Aktivitäten, in die er von Anfang an Sohn Paul Junior involvierte. Am 10. Januar werden Zoll- und Drogenfahnder darauf aufmerksam, wie das Duo an einem Bayou in Louisiana eine große Ladung Marihuana bei Nacht von der neuen Yacht des Vaters auf einen gemieteten Lkw verladen. Alle Beteiligten, darunter ein Mithelfer, werden zu drei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 32.500 Dollar verdonnert.Das Programm von JLP Racing kann so ungehindert weitergehen. 1980 feiert Paul Junior, deutlich talentierter als sein Vater, in Lime Rock auf einem 935 K3 seinen ersten Sieg. Ein Ereignis, das sein Vater im Infield der Strecke auf eigene Art feiert – mit der Heirat seiner zweiten Frau Chalice Alford. Derweil folgen weitere Triumphe für das Vater-und-Sohn-Gespann: Darunter bei den 24 Stunden von Daytona 1982 (mit Rolf Stommelen), den 12 Stunden von Sebring und in Road Atlanta. 1982 wird Junior mit neun Siegen und 22 Jahren jüngster Champion der IMSA-Geschichte.Es läuft also im Grunde alles ganz gut. Doch anstatt sich über seine Erfolge zu freuen, intensiviert der mittlerweile als Teamchef fungierende Senior erneut seine illegalen Drogengeschäfte. Schon 1981 hat sich Chalice Alford von ihm getrennt – ihr Verbleib ist bis heute rätselhaft und ungeklärt. 1983 lässt sich Paul von einem Richter auf Haiti offiziell scheiden und heiratet in dritter Ehe Hope Haywood, die Schwester des amerikanischen Rennfahrers Hurley Haywood. Es dauert nur ein Jahr, und Paul wird wegen versuchten Mordes festgenommen. Diesmal aufgrund eines Attentats auf einen Zeugen, der den Behörden Informationen über einen Drogenring verschaffen will, zu dem neben den beiden Pauls mehr als ein Dutzend Personen gehören. Nach zehn Tagen im Knast und Zahlung einer Kaution kommt Paul frei und flieht in die Schweiz, wo er aber nur ein Jahr später erneut in Gewahrsam kommt. Die Schweizer Behörden klagen ihn wegen eines gefälschten Passes an und verurteilen ihn zu sechs Monaten Haft. Nach Verbüßung der Strafe wird er an die Vereinigten Staaten ausgeliefert. Im anschließenden Prozess wird Paul dann 1986 schuldig gesprochen und wegen des Mordversuchs und anderer Vergehen zu insgesamt 25 Jahren Gefängnis im Bundesgefängnis Leavenworth verurteilt. Juniors Rennsportkarriere wird im gleichen Jahr durch eine Fünfjahres-Strafe unterbrochen. Nachdem er die Hälfte davon abgesessen hat, wird er im Oktober 1988 freigelassen und setzt 1989 seine Rennkarriere in der CART- und IMSA-Serie fort. 1999 lässt man John Paul Senior laufen, nachdem er 13 Jahre seiner Strafe abgebüßt hat. Er zieht nach Florida in das Haus seines Sohnes, wo er Colleen Wood trifft, eine Büroangestellte aus Boca Raton. Er überredet sie, ihn auf einer Segeltour rund um die Welt zu begleiten. Doch wie schon Alford zuvor verschwindet auch sie sie bald spurlos. Ebenso wie John Lee Paul selbst, der 2001 die USA heimlich verlässt und später von Touristen auf den Fidschi-Inseln entdeckt wird. Juniors vielversprechende Karriere endet 2001, nachdem bei ihm erste Symptome der Huntington-Krankheit entdeckt werden – eine bis heute unheilbare neurodegenerative und erbliche Erkrankung des Gehirns, die bereits seine Großmutter, Mutter (Joyce) und Schwester getötet hatte. Die Saga der beiden Pauls, sie ist eine endlose Reihe der verpassten Möglichkeiten und der vergeudeten Chancen. Ein Silberstreif am Horizont zieht allein aus der Tatsache auf, dass die Vermögenswerte des Teams vom Staat konfisziert wurden. Darunter auch jener 935 in den berühmten Farben von JLP (hellblau/gelb), der erst in den 90er-Jahren zu einem kompletten Auto auf 935 K3-Basis aufgebaut wurde und dann bei HSR-Rennen oder bei Le Mans Classic zum Einsatz kam. Nun steht er bei Movendi zum Verkauf und ist vor allem deshalb noch so gut erhalten, weil er viele Jahren in der Obhut einer Polizeigarage verbracht hat.

  • (c) Classicdriver, Simon de Burton. Photos:Stefan Bogner